Konstituierende Sitzung 7. Landtag Brandenburg – Rede der Alterspräsidentin Marianne Spring-Räumschüssel

25. September 2019Kategorien: Presse
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–  ES GILT DAS GESPROCHENE WORT –

Verehrte Kolleginnen und Kollegen,
liebe Gäste,

das Jahr 2019 ist für alle von drei Ereignissen geprägt,
diese möchte ich in meiner Rede in besonderer Weise würdigen.

Im Jahr 2019 feiern wir Brandenburger den
200. Geburtstag von Theodor Fontane.

Legendär sind seine vier Bände „Wanderungen durch die Mark
Brandenburg“, die er zwischen 1862 und 1882 veröffentlichte.
Seine großartige Beobachtungsgabe, sein Blick für die
Schönheit der Mark Brandenburg, all dies spürt der geneigte Leser,
wenn er sich dieser Lektüre widmet.

Unser schönes Land Brandenburg ist die Heimat von ungefähr
2,5 Millionen Menschen.

ALLEN diesen Bürgern gilt unser Auftrag als gewählte
Abgeordnete.

Ja, wir leben in spannenden Zeiten.  

Die Welt um uns herum bewegt sich scheinbar immer schneller und
gerade da benötigen die Menschen, denen wir verpflichtet sind, einen
verlässlichen Partner, einen stabilen Anker.
Dieser mag bei jedem anders aussehen.
Viele halten sich an preußische Tugenden wie Pünktlichkeit,
Zuverlässigkeit und Ordnungsliebe.

Andere stützen sich auf gute Traditionen, welche unser
Brandenburg stark und liebenswert gemacht haben.
Aber nicht nur mit seinen Wanderungen durch die Mark, sondern
auch mit seinen gesellschaftskritischen Werken, hat sich
Theodor Fontane ein bleibendes Denkmal gesetzt.

Wer kennt nicht seinen Roman „Effi Briest“, in dem Fontane
die Stellung der Frau in der damaligen Gesellschaft beschrieben hat.
Wird die heutige Gesellschaft die Errungenschaften der Gleichberechtigung wehrhaft verteidigen?
Mit der Zuwanderung wandern andere Gesellschaftsmodelle
auch nach Brandenburg, was würde uns Theodor Fontane heute dazu
sagen?
Ihm zugeschrieben wird das Zitat
“Am Mute hängt der Erfolg“ –  sind wir mutig in der
Verteidigung unserer Werte.

Denken wir an das legendäre Treffen von Michael Gorbatschow und
Margret Thatcher als im übertragenen Sinn hieß:
Werte sind nicht alles, aber ohne Werte ist alles nichts!  

Das 2. Ereignis, welches ich in meiner Rede würdigen möchte,
ist der 30. Jahrestag der friedlichen Revolution in Ostdeutschland.
Mutige Männer und Frauen gingen im Herbst 1989
auf die Straße – legendär der Ruf „Wir sind das Volk“.
Die Kernforderungen vor 30 Jahren waren Meinungsfreiheit,
freie und geheime Wahlen, Reisefreiheit, die Unabhängigkeit
der Presse.

Inzwischen hat sich in den neuen Bundesländern – so auch in
Brandenburg – eine große Ernüchterung und Enttäuschung breit
gemacht.

Woher kommt diese Ernüchterung, diese Enttäuschung?
Ja, es gibt freie und geheime Wahlen, aber wird der
Wählerwille hinterher bei der Regierungsbildung
ausreichend abgebildet?

Hier setzen immer mehr Brandenburger ein großes Fragezeichen.
Die politische Debatte wird immer mehr vergiftet durch die
Vorgaben der politischen Korrektheit – ob Eurorettungskritik,
Kritik an der Zuwanderungspolitik oder Kritik an der Energiepolitik
des Landes, Bürger die nicht dem sogenannten Mainstream  
folgen, werden diffamiert, in die rechte Ecke gestellt, einige haben
berufliche Nachteile.

Das ist demokratiefeindlich und entspricht auch nicht der Lebenseinstellung
vieler Brandenburger.

Aber ich denke, die Ursachen für die Enttäuschung liegen noch
viel tiefer.

Wenn immer mehr Bürger das Gefühl haben, meine
Lebenswirklichkeit, meine Bedürfnisse spielen keine
Rolle mehr, politische Entscheidungen haben mit
meiner Lebenswirklichkeit zu wenig zu tun, dann
ist Frust und Enttäuschung vorprogrammiert.
Die Antwort kann nur lauten – geerdete Politiker, die
zuhören können und wollen sowie sachorientierte
Lösungen anbieten.

Vergessen wir nicht im politischen Alltagsgeschäft, wer
der Souverän ist – das sind die Bürger und sie wünschen
sich mehr Teilhabe an politischen Prozessen, es reicht nicht aus,
sein Wahlrecht alle 4 oder 5 Jahre in Anspruch zu nehmen.

Die repräsentative Demokratie stößt an ihre Grenzen –
das spürt der gewählte Abgeordnete, wenn er im Wahlkreis
aufmerksam unterwegs ist.

Beleben wir das Grundgesetz Artikel 20 Absatz 2, in dem es heißt,
„Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volk
in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe
der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der
Rechtsprechung ausgeübt“.

Begegnen wir unseren Bürgern nicht mit Skepsis, sondern
mit Vertrauen.

Machen wir Brandenburg zum Vorreiter gelebter
Demokratie mit starken Elementen direkter Demokratie.
Geben wir unseren Bürgern mehr Rechte auch frei mitzuentscheiden.
Ich möchte hier aus der großartigen Rede meines Vorgängers
Dr. Alexander Gauland zitieren.

Er sagte in seiner Rede als Alterspräsident am 8. Oktober 2014.
„Ein gutes Mitglied des Parlaments zu sein ist keine
leichte Aufgabe“.

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen – den Anspruch ein gutes
Mitglied im Parlament zu sein, den trägt jeder in sich –
deshalb haben wir uns zur Wahl gestellt und jetzt wollen wir,
die 88 Mitglieder des Brandenburger Landtages, diesen
Wählerauftrag mit Leben, guten pragmatischen Lösungen erfüllen.

Das dritte Ereignis, dass ich in meiner Rede würdigen möchte,
sind die Ergebnisse der Landtagswahl vom 1.9.2019.
Der Souverän hat sein Urteil an der Wahlurne gefällt,
wir nehmen das Wahlergebnis mit Respekt zur Kenntnis.
Erfreulich für alle Demokraten ist die weiter gestiegene
Wahlbeteiligung und trotzdem stehen immer noch knapp
40 Prozent der Brandenburgerinnen und Brandenburger
als Zuschauer am Wegesrand unserer parlamentarischen
Demokratie.

Die Wahlergebnisse vom Abend des 1.9. zeigen auf, auch
Brandenburg hat sich verändert.
Politikerkarrieren wurden jäh beendet,
langjährige Mitglieder des Landtages konnten ihren Wahlkreis
oft nicht verteidigen.

Das Stühlerücken war noch nie so groß wie im September 2019
 
„Wir haben verstanden“ – gern wird diese Floskel bemüht –
aber haben wir wirklich verstanden?

Nein – der Graben zwischen Volksvertretern und den Bürgern,
er ist noch zu tief.   

Bei der Aussage zu möglichen Koalitionen wird gern und oft der
Ausspruch bemüht, man koaliere nur mit Parteien aus dem
demokratischen Spektrum.

Ich erinnere daran, alle Parteien, die sich zur Wahl stellen sind
nach den Spielregeln der Demokratie und entsprechend der
Wahlgesetzgebung aufgestellt worden, ihre Kandidaten
sind genau nach diesen Prinzipien gewählt worden.

Mit der indirekten Wählerschelte stellt man knapp ein Viertel
der Wählerinnen und Wähler außerhalb des demokratischen
Spektrums und verabschiedet sich vom politischen Diskurs.
Die Wahlen in einem weiteren ostdeutschen Bundesland, nämlich
in Thüringen, werden wie in einem Brennglas zeigen, wie
polarisiert unsere Gesellschaft inzwischen ist.

Es ist unsere vornehme Pflicht, dem Bürger zu dienen,
Schaden von unserem schönen Brandenburg abzuwenden
und dem Gemeinwohl verpflichtend die richtigen
Entscheidungen zu treffen.

Ich wünsche uns dazu einen respektvollen Umgang in den
Ausschüssen sowie im Plenum sowie den nötigen Mut
ganz im Sinne Theodor Fontanes.

Bevor ich mich für ihre Aufmerksamkeit
bedanke, vergessen wir nie, was unsere Hymne von uns
fordert, beziehungsweise uns aufgetragen hat:

Einigkeit und Recht und Freiheit für das deutsche Vaterland

Ich bedanke mich sehr herzlich für Ihre Aufmerksamkeit.

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